Was ist Gewichtheben?
Das Gewichtheben ist eine schwerathletische Sportart, bei der eine Langhantel durch Reißen oder Stoßen zur Hochstrecke gebracht wird.
Neben der Technik sind beim Gewichtheben insbesondere Schnelligkeit, Kraft, Koordination und Beweglichkeit für den Erfolg maßgeblich. Obwohl das olympische Gewichtheben als Randsportart einzuordnen ist, finden sich die Übungen bei vielen Hochleistungssportlern, zum Beispiel bei Sprintern und Kugelstoßern, wegen ihrer Schnellkraftaspekte im Trainingsprogramm.
Geschichte
Das Gewichtheben als Sportart entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Ab 1880 entstanden Vereine für Schwerathletik in verschiedenen Städten, woraufhin 1891 der Deutsche Athletik-Sportverband (DASV) gegründet wurde.
Seit 1891 finden Weltmeisterschaften statt. Seit 1896 ist das Gewichtheben – mit Unterbrechungen – Teil der Olympischen Spiele.
Ab 1928 bis 1972 wurde ein Dreikampf aus beidarmigen Drücken, Reißen und Stoßen ausgetragen. Seit 1973 besteht das Gewichtheben im Zweikampf (Reißen und Stoßen).
2000 in Sydney wurde erstmals das Frauengewichtheben in das Olympische Programm aufgenommen, seit 1987 gibt es Weltmeisterschaften für Frauen.
Disziplinen
Reißen
Die Hantel liegt horizontal vor den Beinen des Hebers. Sie wird mit den Handflächen nach unten gefasst und in einer einzigen Bewegung vom Boden zur Hochstrecke mit ausgestreckten und senkrecht stehenden Armen gebracht, entweder mit einem Ausfallschritt oder dem Beugen beider Beine (Hocke). Die Hantel ist in einem pausenlosen Bewegungsablauf am Körper entlang nach oben zu führen. Während des Versuches darf außer den Füßen kein anderer Körperteil den Boden berühren.
Das gehobene Gewicht muss in der endgültigen Position bei gestreckten Beinen, Füßen auf gleicher Linie und gestreckten Armen bis zum Zeichen des Kampfrichters zum Abnehmen des Gewichts bewegungslos fixiert werden. Das Drehen der Handgelenke darf erst erfolgen, nachdem sich die Hantel über der Kopfhöhe des Hebers befindet. Ein Heber kann im Ausfall oder in der Hocke nach eigenem Gutdünken verharren. Das Kampfrichterzeichen zum Abstellen der Hantel hat zu erfolgen, sobald der Körper des Hebers bewegungslos ist.
Stoßen
Das Stoßen wird im deutschen Regelwerk entsprechend der englischen Benennung clean and jerk offiziell als „Umsetzen und Stoßen“ bezeichnet. Es besteht aus zwei Teilabläufen, dem Umsetzen der Hantel auf die Schultern und dem Ausstoßen der Hantel über den Kopf, was seinen wesentlichen Unterschied zum Reißen darstellt.
Umsetzen
Die Hantel liegt horizontal vor den Füßen des Hebers. Sie wird mit den Handflächen nach unten gefasst und in einem einzigen Bewegungsablauf vom Boden zu den Schultern gebracht, entweder mit dem Ausfallschritt oder mit der Hocketechnik. Die Hantel darf die Brust nicht vor der endgültigen Position berühren; sie soll auf den Schlüsselbeinen, der Brust oder den vollständig gebeugten Armen ruhen. In dieser Position kann der Heber nach Gutdünken verharren. Allerdings dürfen in der Hocke die Ellenbogen keinesfalls die Oberschenkel berühren, sonst ist der Versuch ungültig.
Ausstoßen
Beugen und Strecken der Beine und Arme, um die Hantel zur Hochstrecke mit völlig gestreckten, vertikal stehenden Armen zu bringen (pausenlose Aufwärtsbewegung), dann Einnehmen der Grundstellung, Beine und Arme sind gestreckt, warten bis zum Signal des Kampfrichters zum Abnehmen der Hantel. Das Signal hat zu erfolgen, sobald der Heber absolut bewegungslos ist.
Vor dem Ausstoßen muss die Hantel in Ruhe sein, „anwippen“ macht den Versuch ungültig. Ebenso muss das Ausstoßen in einer einzigen Bewegung bis zu den durchgestreckten Armen erfolgen, „nachdrücken“ macht den Versuch ebenfalls ungültig.
Zweikampf
Nationale und Internationale Einzelwettbewerbe werden aktuell als Zweikampf der beiden Disziplinen Reißen und Stoßen durchgeführt. Dabei zählen sowohl die Einzeldisziplinen als auch der Zweikampf, für den die beiden Einzelergebnisse addiert werden. Der Zweikampf gilt als sportlich wertvoller als die Einzeldisziplinen. Die Olympischen Spiele bilden eine Ausnahme, hier zählt nur der Zweikampf und die Einzeldisziplinen werden nicht bewertet.
Wettkampfablauf
Nach dem Abwiegen müssen die Athleten die Lasten angeben, mit denen sie in den beiden Disziplinen in den Wettkampf einsteigen wollen. In jeder der beiden Teilübungen stehen dem Heber drei Versuche zur Verfügung.
Der Wettkampf beginnt mit dem Reißen, wobei der Heber mit dem am niedrigsten gemeldeten Gewicht beginnt. Ihm steht dabei innerhalb einer Minute ein Versuch zur Verfügung, das Gewicht regelkonform zur Hochstrecke zu bringen. Der Versuch gilt als begonnen, sobald die Hantel die Knie passiert hat. Beobachtet wird der Athlet dabei von einem oder drei Kampfrichtern, über die Gültigkeit des Versuchs entscheiden.
Hat der Heber die Last erfolgreich bewältigt, wird das Gewicht für den nächsten Versuch erhöht. Sollte der Versuch jedoch ungültig gegeben worden sein, steht dem Heber die Möglichkeit offen, seinen Versuch zu wiederholen oder zu steigern. Dies kann aus taktischen Gründen oftmals sinnvoller sein. Aufgrund der Tatsache, dass die Reihenfolge der Heber abhängig ist von ihren gemeldeten Lasten, kann ein Athlet dazu gezwungen sein, zwei Versuche direkt hintereinander zu absolvieren, sollte niemand ein Gewicht zwischen seinen beiden gemeldet haben. In diesem Fall stehen ihm statt der sonst einen Minute zwei zur Verfügung, seinen nächsten Versuch anzugehen. Haben alle Heber das Reißen beendet, folgt nach einer kurzen Pause das Stoßen, welches nach demselben Schema abläuft.
Wertung
Nach Gewichtsklassen
Bei Einzelmeisterschaften, wie den Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen, werden die Athleten in Gewichtsklassen eingeteilt.
Es gewinnt, wer innerhalb einer Gewichtsklasse die größte Last bewältigt, gezählt wird dabei in jeder Disziplin nur der schwerste gelungene Versuch. Für den Zweikampf wird jeweils der beste Versuch jeder Einzeldisziplin gewertet. Sind alle drei Versuche in einer Disziplin ungültig, kann der Athlet keine Zweikampfwertung einbringen. Sollten mehrere Athleten die gleiche maximale Last gehoben haben, gewinnt der leichtere Athlet.
Bei Olympischen Spielen werden Platzierungen nur für die Zweikampfwertung geführt.
Gewichtsklassen seit 1998:
Männer | 56 kg | 62 kg | 69 kg | 77 kg | 85 kg | 94 kg | 105 kg | +105 kg |
Frauen | 48 kg | 53 kg | 58 kg | 63 kg | 69 kg | 75 kg | +75 kg |
Nach Relativpunkten
Da in den unteren Ligen und auf kleineren Wettkämpfen nicht immer alle Gewichtsklassen ausreichend besetzt werden können, wurde mit der „Relativpunkte-Wertung“ eine Vergleichsmöglichkeit der Athleten unterschiedlicher Gewichtsklassen und auch zwischen Männern und Frauen eingeführt. Des Weiteren werden durch diese Wertung Mannschaftswettkämpfe ermöglicht. Hierzu erhält jeder Heber, abhängig von Geschlecht und Körpergewicht, einen spezifischen „Relativabzug“, der nach dem Wettkampf von den erbrachten Einzelleistungen abgezogen wird, danach werden die Punkte addiert.
Die Relativwertung ist nicht international einheitlich festgelegt, die oben geschilderten Verhältnisse gelten für Deutschland.
Beispiel 1
Ein 100 kg schwerer männlicher Heber reißt 135 kg und stößt 165 kg. Der ihm entsprechende Abzug ist laut Relativabzugstabelle 97,5. Er erreicht also (135 kg-97,5) + (165 kg-97,5) = 105 Relativpunkte.
Beispiel 2
Eine 50 kg schwere Heberin müsste bei ihrem Relativabzug von 16,0 beispielsweise 62 kg reißen und 75 kg stoßen, um auf dieselbe Relativleistung von (62 kg-16,0) + (75 kg-16,0) = 105 Relativpunkten zu kommen.
Nach Sinclairpunkten
Eine Variante der Relativwertung wurde vom Kanadier Roy Sinclair entwickelt und ermöglicht einen Vergleich über die Körpergewichte hinweg – getrennt für Männer und Frauen. Hierzu veröffentlicht die IWF sogenannte „Sinclair-Koeffizienten“, die im Frühjahr jedes olympischen Jahres durch statistische Auswertung unter Berücksichtigung der Weltrekorde in den einzelnen Gewichtsklassen mit sechs Ziffern nach dem Dezimalzeichen ermittelt werden; sie gelten dann für die folgenden vier Kalenderjahre.
Im Gegensatz zur Relativwertung ergibt die Sinclairwertung prinzipiell stets positive Punkte-Zahlen. Somit ist sie motivierender für weniger starke Heber.
Beispiel 3
Ein 80 kg schwerer Heber erzielt eine Zweikampfleistung von 200 kg, bestehend aus 90 kg im Reißen und 110 kg im Stoßen. Der für ihn zutreffende Sinclair-Koeffizient lautet 1,224433 (Stand 2004, anwendbar 2005 bis 2008), daraus ergibt sich folgende Punktzahl:
(90 kg* 1,224433) + (110 kg* 1,224433) = 244,89 Sinclairpunkte (gerundet auf zwei Nachkommastellen).